Kaum ein Roman hat in den vergangenen Wochen für so viel Gesprächsstoff gesorgt wie „Atmosphere“ von Taylor Jenkins Reid. Das Werk avancierte nicht nur zum meistverkauften Titel im Juni 2025, sondern sorgte auch in Buchclubs, sozialen Medien und Literaturkritiken für intensive Diskussionen. Mit einem Mix aus historischer Fiktion, romantischer Erzählweise und feministischer Perspektive ist Reid erneut ein Bestseller gelungen – jedoch nicht ohne Kritik. Dieser Artikel bietet eine umfassende Einordnung des Romans, analysiert seine Wirkung und erläutert, warum „Atmosphere“ mehr ist als nur ein populäres Sommerbuch.
Eine Story zwischen Himmel und Erde: Worum geht es in „Atmosphere“?
„Atmosphere“ spielt im Amerika der 1980er-Jahre und rückt das NASA-Shuttle-Programm ins Zentrum der Handlung. Hauptfigur ist Joan Goodwin, eine junge Astronautin und CAPCOM-Offizierin, die im Kontrollzentrum der NASA eine herausfordernde Notlage begleiten muss. Ihre engste Verbündete ist Ingenieurin Vanessa Ford, mit der sie nicht nur beruflich, sondern auch emotional eng verbunden ist. Der Roman thematisiert nicht nur die Gefahr im All, sondern beleuchtet auch die sozialen und persönlichen Hürden, die Joan als Frau in einem männerdominierten Umfeld überwinden muss.
Romantik trifft Raumfahrt
Reid gelingt es, eine Liebesgeschichte zu erzählen, die sich inmitten technischer Präzision und psychologischer Anspannung entfaltet. Dabei steht nicht das Spektakel im Vordergrund, sondern die leisen Töne: Zweifel, Zuneigung, Mut – und die Frage, wie viel Raum eine Frau in einer Welt einnehmen kann, die noch nicht bereit ist für sie.
Verkaufserfolg und internationale Aufmerksamkeit
Dass „Atmosphere“ ein kommerzieller Erfolg ist, steht außer Frage. Der Roman erreichte im Juni 2025 Platz eins der Hardcover-Fiction-Bestsellerliste in den USA und gehört zu den am häufigsten gestreamten Hörbüchern bei Apple Books. Auch im deutschsprachigen Raum erfreut sich das Buch großer Beliebtheit: Die Übersetzung von Babette Schröder wurde vielfach gelobt, insbesondere für die gelungene Wiedergabe der emotionalen Nuancen.
Ein Blick auf die Zahlen
Kriterium | Ergebnis |
---|---|
Bestsellerlisten (Hardcover) | Platz 1 (Juni 2025, USA) |
Hörbuch-Charts (Apple Books) | Top 3 |
Amazon Charts (inkl. Kindle) | Platz 5 |
Auswahl in Buchclubs | GMA, Good Housekeeping, Page Six |
Stil und Sprache: Zwischen Emotionalität und technischer Authentizität
Ein zentrales Merkmal von „Atmosphere“ ist die Verbindung von emotionaler Tiefe und technischer Genauigkeit. Reid arbeitete für diesen Roman mit Paul Dye, einem ehemaligen NASA-Flugdirektor, sowie mit Wissenschaftsjournalist Jeff Kluger zusammen. Diese Zusammenarbeit schlägt sich in einer präzisen Darstellung von Raumfahrtprozessen nieder – von der Kommunikation im Mission Control bis hin zu den Herausforderungen bei einem Shuttle-Ausfall.
Zitat einer Rezensentin:
„Ich habe auf einem Flug geweint. Nicht wegen Turbulenzen, sondern wegen Joan Goodwin.“ – NetGalley-Leserin
Reids Schreibstil ist leicht zugänglich und bildhaft. Ihre Fähigkeit, Innenwelten greifbar zu machen, wurde von Leserinnen und Lesern besonders gelobt. Gleichzeitig verzichtet sie auf übermäßige technische Exkurse, was auch weniger wissenschaftsaffine Leser:innen anspricht.
Feministische Perspektiven – leise, aber klar
Ein herausragendes Element des Romans ist der feministische Unterton. Joan Goodwin steht sinnbildlich für viele Frauen, die in den 1980er-Jahren in technischen Berufen Fuß fassen wollten. Reid zeigt eindrücklich, wie Joan mit sexistischen Strukturen, unpassender Ausrüstung und unterschwelliger Abwertung kämpft – und sich dennoch behauptet.
Die Figur der Vanessa Ford, ihre enge Beziehung zu Joan und die stille, aber intensive queere Romanze zwischen beiden, verleihen dem Buch eine weitere Dimension. Diese Aspekte werden nicht plakativ dargestellt, sondern sind natürlich in die Handlung eingebettet.
Kritik und Gegenpositionen
So gefeiert „Atmosphere“ auch wird – nicht jede Stimme ist uneingeschränkt positiv. Einige Kritiker, darunter auch die britische Times, bezeichneten das Werk als „übermoralisch“ und „belehrend“. Andere empfanden den Spannungsbogen als zu abrupt und das Ende als dramaturgisch überladen. Die Charakterzeichnung wirke teilweise zu glatt, Joan sei „zu perfekt“, um als glaubwürdige Heldin zu gelten.
Ein wiederkehrender Kritikpunkt betrifft die mangelnde historische Tiefenschärfe. Zwar spielt der Roman eindeutig im Schatten der Challenger-Katastrophe (die 1986 tatsächlich geschah), doch Reid verzichtet bewusst auf eine direkte Verknüpfung. Diese Entscheidung traf sie aus Respekt gegenüber den Betroffenen – doch nicht alle Leser:innen empfanden das als ausreichend sensibel oder historisch authentisch.
Globale Rezeption und kulturelle Relevanz
„Atmosphere“ wurde in mehreren Ländern veröffentlicht und in unterschiedlichen Sprachräumen positiv aufgenommen. Besonders in Australien und Deutschland avancierte das Buch schnell zum „Must-Read“ des Sommers. Auch auf Goodreads und BookTok ist die Resonanz stark. Viele Leser:innen bezeichnen das Buch als „inspirierend“, „bewegend“ und „eine seltene Kombination aus Raumfahrt und Herz“. Die Verfilmung ist bereits in Planung – unter Regie von Anna Boden und Ryan Fleck, mit Unterstützung durch Serena Williams, die als Produzentin tätig ist.
Technik, Trauma und Trost – eine neue Art von Sommerroman
Was „Atmosphere“ besonders macht, ist die Fähigkeit, große Themen wie Technik, Trauma und Identität miteinander zu verweben, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die NASA-Kulisse bietet eine spannende Projektionsfläche, doch im Mittelpunkt steht immer der Mensch – genauer: eine Frau, die versucht, gehört zu werden.
Ob als feministische Erzählung, romantisches Drama oder technikgestützte Zeitreise – „Atmosphere“ ist vielseitig lesbar. Es bewegt sich zwischen Sapphic-Literatur, politischem Kommentar und cineastischer Erzählkunst. Die geplante Adaption unterstreicht die cineastische Qualität des Romans, die bereits beim Lesen spürbar ist.
Fazit: Zwischen Mainstream und Substanz
„Atmosphere“ von Taylor Jenkins Reid ist mehr als ein Hype. Der Roman kombiniert emotionale Erzählkunst mit authentischem historischen Setting, zeigt eine starke Protagonistin in einem komplexen Umfeld und trifft damit den Nerv der Zeit. Die Kritikpunkte sind berechtigt, doch sie verändern nicht den Kern: Es handelt sich um ein Werk, das gelesen, diskutiert und erinnert werden wird – weit über den Sommer 2025 hinaus.
Zusammengefasst in fünf Punkten:
- Literarische Stärke: Emotional, zugänglich, stark erzählte Charaktere
- Technische Authentizität: Durch Expertenberatung realistisch und glaubwürdig
- Feministische Tiefe: Subtil, aber kraftvoll umgesetzt
- Kulturelle Relevanz: Weltweite Rezeption und geplante Verfilmung
- Kritische Stimmen: Stilistisch mitunter belehrend, aber insgesamt wirkungsvoll
Für alle, die sich für starke Frauenfiguren, historische Fiktion und emotionale Spannung interessieren, ist „Atmosphere“ ein Pflichtbuch – nicht nur im Sommer, sondern als bleibender Beitrag zur aktuellen Literatur.

Jens Müller ist ein Hobby Historiker und engagierter Forscher, der sich auf Kulturgeschichte spezialisiert hat. Mit einem scharfen Blick für historische Zusammenhänge und gesellschaftliche Entwicklungen publiziert er regelmäßig fundierte Artikel. Als Redakteur schreibt er für das Online-Magazin Stefanjacob.de.