Die Generation Z, aufgewachsen mit Smartphones und sozialen Medien, steht im Spannungsfeld zwischen digitaler Vernetzung und politischer Entfremdung. Obwohl sie als die politisch aktivste Generation gilt, zeigen aktuelle Studien eine zunehmende digitale Erschöpfung und algorithmische Entfremdung.
Laut einer aktuellen Umfrage vermeiden 46 % der Gen-Z-Befragten aktiv politische Inhalte in sozialen Medien. Zudem berichten 53 % von einem Anstieg eskapistischer Aktivitäten wie Serienmarathons, Gaming oder endlosem Scrollen durch soziale Medien. Diese Verhaltensweisen deuten auf eine wachsende Überforderung durch die ständige Informationsflut hin.
Die algorithmische Radikalisierung verstärkt dieses Phänomen. Empfehlungsalgorithmen auf Plattformen wie YouTube oder TikTok neigen dazu, Nutzer in sogenannte Echokammern zu führen, in denen sie zunehmend extremere Inhalte konsumieren. Dies kann zu einer schleichenden Polarisierung und Entfremdung führen.
Ein weiteres Problem ist die digitale Dystopie, in der Technologien, die ursprünglich zur Befreiung gedacht waren, zu Werkzeugen der Überwachung und Manipulation werden. Ein aktueller Beitrag beschreibt dies als einen Zustand, in dem digitale Technologien, zunächst als befreiend oder ermächtigend wahrgenommen, stattdessen zu Überwachung, Manipulation, Abhängigkeit und Autonomieverlust führen – oft ohne das volle Bewusstsein oder die Zustimmung der Nutzer.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Generation Z politisch engagiert. 76 % der Gen-Z-Wähler stehen zu ihrer Wahlentscheidung. Dennoch zeigt sich eine wachsende Tendenz zur politischen Apathie, insbesondere unter Nichtwählern, von denen 33 % Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Entscheidung empfinden.
Zwischen Empowerment und Erschöpfung: Der tägliche digitale Balanceakt
Während viele Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z bewusst politische Statements setzen, etwa durch Hashtag-Kampagnen oder das Teilen von Informationsvideos auf Plattformen wie Instagram oder TikTok, fühlen sich ebenso viele von der Geschwindigkeit und Emotionalität digitaler Debatten überfordert. Diese Gleichzeitigkeit von Beteiligung und Rückzug lässt sich als Zeichen eines tiefergehenden Spannungsverhältnisses deuten, in dem sich die Gen Z bewegt: Einerseits ist die digitale Welt ihr ureigenes Habitat – sie wurde dort sozialisiert, organisiert dort Freundschaften, Bildungswege und auch Protestbewegungen. Andererseits wird dieselbe Welt zunehmend zum Auslöser für mentale Belastungen und kollektive Erschöpfungszustände.
Hinzu kommt, dass viele junge Menschen das Gefühl haben, keinen echten Einfluss auf politische Prozesse zu haben. Die Dynamik der Netzöffentlichkeit erlaubt zwar kurzfristige Sichtbarkeit, langfristige Veränderungen sind jedoch oft nicht erkennbar. Diese Diskrepanz zwischen digitalem Aktivismus und realpolitischer Wirkung kann zu Frustration führen. Die Herausforderung besteht darin, nachhaltige Beteiligungsformate zu schaffen, die über das reine Klicken und Teilen hinausgehen – etwa durch schulische politische Bildung, partizipative Jugendräte oder transparente Kommunikation politischer Institutionen. Denn nur wenn digitale Räume mit echten Mitgestaltungsmöglichkeiten verknüpft werden, kann aus Empowerment langfristige politische Wirksamkeit entstehen.
Algorithmen als unsichtbare Architekten der Realität
Ein zentrales Element der Entfremdung liegt in der zunehmenden Unsichtbarkeit algorithmischer Entscheidungen. Was Nutzerinnen und Nutzer auf ihren Feeds sehen, wird nicht neutral ausgewählt, sondern basiert auf komplexen Datenanalysen, die frühere Klicks, Likes, Verweildauer und sogar Scroll-Geschwindigkeit berücksichtigen. Diese Logik der personalisierten Inhalte hat zur Folge, dass Menschen immer stärker in digitale Filterblasen geraten, in denen sich ihre Sichtweisen zunehmend verfestigen – ohne dass sie dies bewusst bemerken.
Besonders bedenklich ist dabei die Tendenz der Algorithmen, emotional aufgeladene Inhalte zu bevorzugen. Studien zeigen, dass Posts mit extremen oder polarisierenden Inhalten häufiger angezeigt und geteilt werden als sachliche oder ausgewogene Beiträge. Für die Generation Z, die sich in einem kritischen Alter zwischen Identitätssuche und Weltorientierung befindet, kann diese algorithmisch gesteuerte Emotionalisierung zu einer verzerrten Weltsicht führen. Komplexe Zusammenhänge werden auf vereinfachte Narrative reduziert, während gegensätzliche Perspektiven kaum mehr sichtbar sind.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind umfassende Maßnahmen notwendig: Medienbildung muss bereits in der Schule ansetzen und kritisch-reflexives Denken fördern. Gleichzeitig sollten Plattformen zu mehr algorithmischer Transparenz verpflichtet werden – etwa durch Offenlegung ihrer Empfehlungsmechanismen oder durch individuell anpassbare Filterfunktionen. Denn nur wer versteht, wie Inhalte zustande kommen, kann sich bewusst mit ihnen auseinandersetzen und sich ihnen entziehen.
Wege aus der digitalen Ohnmacht: Neue Modelle der Beteiligung
Die Frage, wie die Generation Z trotz algorithmischer Fragmentierung, politischer Erschöpfung und digitaler Überforderung zu einer aktiven demokratischen Beteiligung finden kann, ist von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung. Es geht dabei nicht nur um technische oder bildungspolitische Lösungen, sondern um ein neues Selbstverständnis digitaler Teilhabe. Junge Menschen benötigen Formate, die nicht nur Reaktion ermöglichen, sondern zur Mitgestaltung ermutigen – im digitalen Raum wie im analogen Leben.
Ein Ansatzpunkt könnten sogenannte „Civic Tech“-Initiativen sein, also digitale Werkzeuge, die Bürgerbeteiligung erleichtern. Plattformen für Online-Petitionen, Mitbestimmung bei kommunalen Entscheidungen oder partizipative Haushaltsmodelle zeigen, wie aus passiver Mediennutzung echte Beteiligung entstehen kann. Auch hybride Formate – also Veranstaltungen, die online vorbereitet und vor Ort umgesetzt werden – könnten neue Räume der Demokratie schaffen.
Wichtig ist dabei die konsequente Einbindung der Generation Z selbst in die Entwicklung solcher Formate. Nur wenn ihre Lebensrealitäten, digitalen Gewohnheiten und Erwartungen ernst genommen werden, können tragfähige Lösungen entstehen. Politik und Bildungseinrichtungen müssen den Mut haben, klassische Strukturen zu hinterfragen und neue Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit zu beschreiten. Denn eine lebendige Demokratie braucht nicht nur Wahlbeteiligung – sie braucht Räume, in denen sich junge Menschen als wirksam erleben können.

Jens Müller ist ein Hobby Historiker und engagierter Forscher, der sich auf Kulturgeschichte spezialisiert hat. Mit einem scharfen Blick für historische Zusammenhänge und gesellschaftliche Entwicklungen publiziert er regelmäßig fundierte Artikel. Als Redakteur schreibt er für das Online-Magazin Stefanjacob.de.