Literatur im Wandel der Krisen
Die Literatur des Jahres 2025 ist politisch, zukunftsgewandt und zutiefst menschlich. In einer Welt, die zunehmend von Krisen, Unsicherheiten und dem Klimawandel geprägt ist, gewinnen zwei Genres besonders an Bedeutung: Hopepunk und Climate Fiction (Cli-Fi). Sie stehen für eine neue Erzählhaltung – eine, die nicht resigniert, sondern auf Mitgefühl, Widerstandskraft und kreative Lösungsansätze setzt. Während Hopepunk Hoffnung als radikalen Akt zelebriert, wirft Climate Fiction einen kritischen Blick auf unsere Umweltverantwortung. Beide Genres bedienen sich der Werkzeuge der spekulativen Fiktion und treten in einen literarischen Dialog mit einer Gesellschaft im Wandel.
Was ist Hopepunk? Widerstand durch Mitgefühl
Ursprung und Definition
Hopepunk wurde 2017 von der Autorin Alexandra Rowland als bewusstes Gegenstück zum sogenannten Grimdark geprägt – jenem düsteren Subgenre, das Gewalt, Fatalismus und Pessimismus als realistische Grundhaltung begreift. Hopepunk hingegen stellt sich dieser Weltsicht entgegen: Hier ist Freundlichkeit kein Zeichen von Naivität, sondern von Rebellion. Protagonistinnen und Protagonisten in Hopepunk-Geschichten halten an Mitgefühl, Solidarität und gegenseitiger Unterstützung fest – auch dann, wenn die Umstände alles andere als rosig sind.
Kernthemen und Erzählmuster
Typische Hopepunk-Narrative sind geprägt von gemeinschaftlichem Handeln, emotionaler Resilienz und einem unerschütterlichen Glauben daran, dass auch kleine Gesten große Veränderungen bewirken können. In Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spaltung wirken diese Erzählungen wie ein literarisches Gegengift. Sie schaffen eine emotionale Gegenwelt zu Angst und Zynismus – ohne dabei die Komplexität der realen Herausforderungen auszublenden.
Die Relevanz im Jahr 2025
2025 hat sich Hopepunk als feste Größe innerhalb der spekulativen Fiktion etabliert. Die zunehmende globale Unsicherheit – geprägt durch politische Instabilität, Klimakrisen und soziale Ungleichheit – hat das Bedürfnis nach Geschichten, die Hoffnung und Handlungsfähigkeit stärken, deutlich steigen lassen. Besonders in sozialen Medien wird Hopepunk häufig mit feministischer Science-Fiction, progressiver Fantastik und Community-basiertem Storytelling in Verbindung gebracht.
Climate Fiction: Spiegel einer ökologischen Zeitenwende
Was ist Cli-Fi?
Climate Fiction (kurz: Cli-Fi) ist ein wachsendes Literaturgenre, das sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Individuen, Gesellschaften und ganze Ökosysteme auseinandersetzt. Es ist keine neue Idee – Klassiker wie Margaret Atwoods MaddAddam-Trilogie oder Paolo Bacigalupis The Water Knife haben das Genre früh geprägt. Doch 2025 erlebt die Climate Fiction eine neue Qualität und Quantität: Wissenschaftliche Erkenntnisse, geopolitische Dynamiken und globale Klimakatastrophen finden ihren direkten Weg in Romanhandlungen und Kurzgeschichten.
Dystopie oder Hoffnung?
Während viele Werke innerhalb des Genres dystopische Zukunftsvisionen beschreiben – etwa durch Umweltkatastrophen, Wasserknappheit oder gesellschaftliche Kollaps-Szenarien –, entstehen zunehmend Narrative, die von Lösungen erzählen. Diese sogenannten „positiven Zukunftsszenarien“ zeigen beispielsweise dezentrale Energieversorgung, resiliente Städte oder kooperative Gemeinschaften, die neue Lebensweisen erproben. Oft sind diese Texte eng mit dem Subgenre Solarpunk verwoben, das nachhaltige Technologien und soziale Gerechtigkeit in den Fokus rückt.
Climate Fiction wird politisch
Die Einführung eines eigenen Climate Fiction Preises im Jahr 2025 spiegelt den steigenden literarischen und gesellschaftspolitischen Stellenwert wider. Ausgezeichnet wurden unter anderem Samantha Harveys Orbital und Téa Obrehts The Morningside – beide Romane, die sich intensiv mit der Klimakrise und ihrer psychologischen Wirkung auf Individuen befassen. Climate Fiction ist längst kein Nischenprodukt mehr, sondern Teil eines globalen Diskurses um Umweltethik, Verantwortung und die Kraft narrativer Interventionen.
Gemeinsame Werte, unterschiedliche Ansätze
Hopepunk vs. Climate Fiction – ein Vergleich
Kriterium | Hopepunk | Climate Fiction |
---|---|---|
Hauptthema | Emotionale Resilienz, Mitgefühl, sozialer Zusammenhalt | Umweltzerstörung, Klimafolgen, ökologische Ethik |
Stimmung | Hoffnungsvoll, kämpferisch | Oft düster, teils lösungsorientiert |
Handlung | Individuen und Gruppen, die sich trotz Widrigkeiten engagieren | Gesellschaften im Umbruch durch Umweltveränderungen |
Stilistische Einflüsse | Utopische und progressive Fiktion | Dystopien, Solarpunk, Realismus |
Gesellschaftlicher Einfluss und Kritik
Literatur als Katalysator
Beide Genres eint der Wunsch, gesellschaftliche Reflexion zu fördern und Handlungsspielräume aufzuzeigen. Sie tragen zur Debatte um globale Verantwortung bei und bieten literarische Räume, in denen Leserinnen und Leser alternative Zukunftsmodelle durchspielen können. Gerade in der Bildung und Jugendliteratur werden Cli-Fi und Hopepunk verstärkt eingesetzt, um Klimabewusstsein und Empathiefähigkeit zu fördern.
Kritik an Vereinfachung und Wunschdenken
So inspirierend Hopepunk und Climate Fiction auch sein mögen, gibt es auch kritische Stimmen. Insbesondere Hopepunk wird mitunter vorgeworfen, reale systemische Probleme mit einer „Wohlfühl-Erzählung“ zu übertünchen. In linken Literaturmagazinen wird die Tendenz diskutiert, komplexe Machtverhältnisse nicht ausreichend zu reflektieren. Auch Climate Fiction wird gelegentlich kritisiert – etwa, wenn apokalyptische Szenarien lediglich als Spannungsmotor dienen, ohne echte ökologische Verantwortung zu vermitteln.
„Nur weil wir über das Klima schreiben, retten wir es nicht. Literatur muss den Finger tiefer in die Wunde legen, nicht nur auf Hoffnung setzen.“ – Aus einem Beitrag der Oxford Political Review (2025)
Warum diese Genres 2025 dominieren
Ein Spiegel globaler Realität
Der Klimawandel ist real – und er ist messbar. Die Weltorganisation für Meteorologie warnt 2025 vor einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit, dass die globalen Temperaturen in den kommenden fünf Jahren einen neuen Höchstwert erreichen. Die Arktis erwärmt sich dreimal schneller als der globale Durchschnitt. Solche realen Bedrohungen verstärken den Wunsch nach literarischen Auseinandersetzungen – sei es in Form von Warnung, Verarbeitung oder imaginierter Lösung.
Ein Ventil für kollektive Emotionen
Hopepunk bietet eine emotionale Zuflucht. In Zeiten psychischer Überforderung und permanenter Negativschlagzeilen erzählen diese Geschichten vom Mut, freundlich zu bleiben. Sie geben Hoffnung ohne Illusion. Climate Fiction hingegen konfrontiert, klärt auf und warnt – manchmal in schmerzhafter Direktheit. Doch in ihrer Kombination entstehen aus beiden Genres Narrative, die den Nerv unserer Gegenwart treffen.
Fazit: Mehr als nur Trends
Hopepunk und Climate Fiction sind nicht bloß literarische Modeerscheinungen, sondern Ausdruck eines globalen Stimmungswandels. In ihnen spiegelt sich der Wunsch nach Sinn, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit – aber auch die Angst vor Verlust, Umbruch und Versagen. Literatur als Ort der Hoffnung und Warnung: Diese Idee gewinnt 2025 mehr Relevanz denn je. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verlangen neue Geschichten – und genau diese liefern Hopepunk und Climate Fiction mit wachsender Intensität und kreativer Kraft.
Diese Genres liefern keinen Eskapismus – sie liefern Engagement, Empathie und Erzählräume für Veränderung.

Jens Müller ist ein Hobby Historiker und engagierter Forscher, der sich auf Kulturgeschichte spezialisiert hat. Mit einem scharfen Blick für historische Zusammenhänge und gesellschaftliche Entwicklungen publiziert er regelmäßig fundierte Artikel. Als Redakteur schreibt er für das Online-Magazin Stefanjacob.de.